Ernste Worte anstelle von Politgaudi beim Aschermittwoch der Waldmünchner SPD

SPD WÜM

„Wir haben uns lange überlegt, ob wir heuer einen Aschermittwoch halten sollen oder nicht, angesichts der dramatischen Entwicklungen in den letzten Tagen“ so der SPD-Vorsitzende Stefan Wanninger in seinen einleitenden Worten. „Trotzdem halten wir an unserer Tradition fest und es freut mich, dass ich trotz coronabedingter Absagen besonders die Stadträtin Sandra Wittmann und den Ehrenvorsitzenden Manfred Ruhland begrüßen kann“. Der Vorsitzende gab nach der Begrüßung einen kurzen Bericht über die Zusammenkünfte und Planungen auf Kreis-, Unterbezirks- und Bezirksebene, an denen er teilgenommen hat.

Wanninger übergab dann das Wort an den Ehrenvorsitzenden Manfred Ruhland. Auch er betonte als erstes, dass es die Ereignisse verbieten würden, eine sonst übliche „Politgaudi mit Angriffen auf die politischen Kontrahenten“ zu machen. Ruhland hatte deshalb seinen Vortrag in 3 Kapitel eingeteilt. Krieg in Europa, Gefahr von Rechts und erneuerbare Energiegewinnung.
Mit „was Jahrzehnte lang unvorstellbar war, ist seit Donnerstag, 24.2.2022 Realität. Russland, oder genauer gesagt Putin hat einen Angriffsbefehl gegen den souveränen Staat Ukraine gegeben“ begann Ruhland seine Ausführungen zum Thema Krieg in Europa. „Alle Bemühungen der europäischen Staatsoberhäupter einschl. unseres Bundeskanzlers und des amerikanischen Präsidenten waren vergebens. Und wie sich jetzt herausstellte, waren die diplomatischen Verhandlungen von Putin inszenierte Showveranstaltungen. So ein massives militärisches Vorgehen wurde präzise von langer Hand vorbereitet und die Versprechungen während der Pendeldiplomatie des Westens waren allesamt Lügen vom russischen Diktator Putin. Ich gestehe ein, dass ich wie viele Menschen naiv war und an eine diplomatische Lösung bis letzten Donnerstag geglaubt habe. Ich konnte und wollte mir nicht vorstellen, dass Putin tatsächlich so viel riskieren würde. Die Ankündigungen, so glaubte ich, von massivsten wirtschaftlichen und völkerrechtlichen Konsequenzen, die die russische Wirtschaft hart treffen werden, würden einen Einmarsch in der Ukraine verhindern. Wir wissen aber jetzt, dass selbst das Putin von seinem Angriffskrieg nicht abhalten konnte. Ich habe ein gewisses Maß an Verständnis für die Rolle von Russland gehabt. Dass der Westen, insbesondere die USA gegebene Versprechen, die nicht zuletzt unsere Wiedervereinigung erst möglich gemacht haben, nicht eingehalten und mehrfach einseitig aufgekündigt haben, wurden von Historikern durch entsprechende Protokolle und Geheimdokumente zwischenzeitlich nachgewiesen. Damit ich nicht falsch verstanden werde, so der Ehrenvorsitzende weiter: Der völkerrechtswidrige Einmarsch der Russen in die Ukraine ist genauso unentschuldbar, wie der Überfall von Polen durch die Nazis 1939. Diese Invasion hat damals die Welt in die schrecklichste Katastrophe der Menschheit geführt. Wir alle können nur hoffen und alles dafür tun, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Solidarität, wirtschaftliche und humane Unterstützung für die flüchtenden Menschen ist das Gebot der Stunde, ohne danach zu fragen was das kosten wird. Gottseidank ist die Hilfsbereitschaft der Menschen in Europa und auch bei uns sehr groß. Stefan Wagner organisiert am Freitag eine Hilfslieferung an die ukrainische Grenze und hat um Spenden gebeten. Bitte unterstützt diese humane Geste.“
„Ein anderes Thema, das mich umtreibt, ist die zunehmende Gefahr von Rechts die ich im zweiten Teil meiner Rede näher betrachten möchte“, so Ruhland im weiteren Verlauf des Abends. „Mit dem Einzug der AfD in mehrere Parlamente und nicht zuletzt mit dem Auftreten ihrer Vertreter im Deutschen Bundestag hat sich die Tonlage und der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft bereits zum Nachteil verändert. Immer öfter werden selbst dort unverhohlen rechtsradikale, zum Teil auch menschenverachtende Parolen vorgetragen und damit die Stimmung im Lande angeheizt. Solche Aussagen von gewählten Volksvertretern fallen auf fruchtbaren Boden von vielen unzufriedenen Menschen, die sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten fühlen. Die angebotenen, einfachen Lösungen sind nicht nur unrealistisch, sondern nicht selten einfach nur dumm. Lautstärke und Schreien soll den inhaltsleeren Redebeiträgen mehr Gewicht verschaffen. Die Sorgen, Nöte und die Einschränkungen der seit nunmehr 2 Jahren wütenden Pandemie haben die rechtsradikalen für ihre Propaganda entdeckt und nutzen diese für viele Menschen belastende Zeit zunehmend stärker aus. Die erkennbare Unterwanderung der „Spaziergänger“ müsste doch inzwischen jeder schon mitbekommen haben. Auch hier will ich klar sagen: Ich unterstütze jede Form der freien Meinungsäußerung und das Grundrecht geschützte Demonstrationsrecht. Ja ich möchte sogar alle Bürger ermuntern, diese Rechte wahrzunehmen und sich einzumischen. Nichtsdestotrotz muss aber jedem klar sein, dass rechtsradikale, antisemitistische und diskriminierende Parolen nicht mit den Freiheitsrechten vereinbar sind. Jeder friedliche Demonstrant oder Spaziergänger hat meines Erachtens die Pflicht, Zivilcourage zu zeigen und sofort einzuschreiten, wenn er mitbekommt, dass solche Elemente sich unter die Demonstranten mischen und versuchen, die Menschen aufzuhetzen. Wer unseren Rechtsstaat als Diktatur bezeichnet, unsere Presseorgane als Lügenpresse bezeichnet und sich sogar mit den Judenverfolgungen im 3. Reich vergleicht, der verfolgt ein anderes Ziel und will genau diese demokratischen Errungenschaften abschaffen. Ich sage deshalb: Wehret den Anfängen und zeigt Flagge gegen diese Ratenfänger. „Als letzten, ebenfalls bedeutsamen Punkt möchte ich noch auf die Energieerzeugung eingehen, die aktuell im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine zu sehen ist“ begann Ruhland das von ihm an diesem Abend gewählte Thema. „Wer mich kennt, der weiß, dass ich seit vielen Jahren vehement für eine Energiewende eintrete. Vor mindestens 5 Jahren gab es schon mal eine sehr weitreichende Diskussion über die Errichtung von Windrädern im Gemeindegebiet. Damals scheiterte es, ähnlich wie heute, an dem Argument, Windräder und Freiflächen-PV-Anlagen würden die Natur und den Tourismus stören und negativ beeinträchtigen. Wer aber heute angesichts des Ausstiegs aus der Kernenergie und der Kohleverbrennung immer noch dasselbe Argument zur Verhinderung solcher Anlagen gebraucht, der hat die Zeichen der Zeit immer noch nicht verstanden. Wir müssen uns schnellstens von der Abhängigkeit ausländischen Atomstroms und von Öl und Gas befreien. 50% des Gases beziehen wir derzeit vom Diktator Putin regiertem Russland. Wie vertrauenswürdig dieser Despot ist, sehen wir seit Donnerstag letzter Woche sehr deutlich. Die Alternative sind amerikanisches Flüssiggas, das unter unverstellbaren, naturzerstörenden Bedingungen produziert wird und uns in eine andere Abhängigkeit bringt. Der einzige Ausweg aus dieser misslingen Lage ist der massive Aus- und Aufbau regenerativer Energiequellen. Wir wissen heute schon ganz genau, dass die Energiewende, einschl. Elektromobilität ein Vielfaches an Strom braucht. Die Verteilung dieser Strommengen in den vorhandenen Netzen wird nicht möglich sein. Gib es einen Ausweg aus diesem Teufelskreis? stellte Ruhland als Frage in den Raum um gleich Antworten zu geben. Ja den gibt es. Der Schlüssel sind dezentrale Energieerzeugungsformen aus Sonne, Wind und Wasserkraft. Grüner Wasserstoff und Energiespeicher können uns aus der Abhängigkeit führen, wenn wir sie mit aller Kraft schnell und dezentral realisieren.

Die Ideen wie sowas geht, gibt es schon seit 30 Jahren. Hermann Scheer, einer unserer Vordenker, der mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde, hat sich damals schon für dezentrale Lösungen im Energiesektor stark gemacht und Lösungen aufgezeigt, die heute schnellstens realisiert werden sollten.

„Ein großer Fehler, so Ruhland weiter, der seit Jahren gemacht wird, ist, immer nach großen Lösungen und ja nicht vor meiner Haustür zu rufen. Diese Methode reicht nicht mehr aus, um die akuten Probleme zu lösen. Wir alle sind gefordert, die vorhandenen Potenziale zu nutzen und zu fördern. Aber was passiert bei uns, vor unserer Haustüre? Die Chance, dass Energie umwelt- und naturverträglich erzeugt werden könnte und dabei auch wir Bürger in Form einer Beteiligung profitieren könnten, wird vertan. Ich versteh‘s einfach nicht mehr. Ich denke wir haben einen Punkt erreicht, wo Argumente der Ästhetik hintenangestellt und konsequent die Erzeugung von Strom mit regenerativen Produktionsformen in den Vordergrund gestellt werden müssen. Die vom SPD-Ortsverein verfasste Resolution ist als Anstoß für eine breite, öffentliche Diskussion gedacht, damit bald Nägel mit Köpfen gemacht werden.“ Die Anwesenden, quittierten die Rede ihres Ehrenvorsitzenden mit langanhaltendem Applaus, der aus ihrer Sicht die richtigen Worte an so einem Tag gefunden hatte. Eine lange, dem Ernst des Vorgetragenem angepasste Diskussion folgte und es herrschte Einigkeit darüber, dass jeder Einzelne aufgerufen ist, Solidarität mit der Ukraine und den leidgeprüften Menschen des Krieges zu zeigen. Putin wurde als Kriegstreiber mit wahnsinnigen Machtvorstellungen bezeichnet. Mit Nachdenklichkeit und dennoch mit der Erkenntnis, einen kleinen Beitrag zur Information zu den drängenden Fragen der Zeit geleistet zu haben, beschloss der Vorsitzende Wanninger den Aschermittwoch 2022.